Vom Rückgang der Bienen
Pflanzenschutzmittel, Parasiten und der Mangel an Blumen

(umg.info 2015_04) Das „Bienensterben“ wurde in jüngster Vergangenheit zu einem breit diskutierten Problem. Dabei verstehen viele unter Biene gleich Hongbiene; weniger bekannt ist, dass in Mitteleuropa viele hundert Wildbienenarten leben und dass Wildbienen für die Bestäubung ebenso wichtig oder manchmal sogar noch wichtiger sind als Honigbienen (Mallinger & Gratton 2015). Was wissen wir nun jedoch tatsächlich über den Rückgang der Bienen? Was sind die Ursachen? Mit diesen Themen beschäftigen sich Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science (Goulson et al 2015). Dabei hat sich gezeigt, dass mehrere Faktoren für die negative Entwicklung verantwortlich sind.
Tatsache ist, dass zur Bestandsentwicklung der weltweit etwa 22.000 Wildbienen-Arten nur wenige Daten vorliegen. Am meisten wissen wir noch über Hummeln, die ebenfalls zu den Wildbienen zählen: Die Verbreitungsgebiete vieler Hummeln sind in den Industrienationen deutlich kleiner geworden; vier Arten sind in Europa bereits ausgestorben. Zumindest für Europa und Nordamerika existieren zudem deutliche Hinweise, dass die Vielfalt der Wildbienen insgesamt rückläufig ist. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Aussage global gilt.
Bessere Datengrundlagen stehen zu Bienen in menschlicher Obhut, den Honigbienen, zur Verfügung. Auch die Bestände der Honigbienen sind in Europa und Nordamerika teilweise dramatisch geschrumpft. Weltweit betrachtet ist die Zahl der Honigbienen von 1961 bis 2008 jedoch um 45 % angestiegen. Verantwortlich hierfür sind Länder wie China und Argentinien, in denen ein deutlicher Zuwachs an Bienenvölkern gezählt wurde.
Somit sind bei globaler Betrachtung die Bestände der Honigbienen in den letzten 50 Jahren also angestiegen, während jene der Wildbienen – die für die Bestäubung von Nutzpflanzen insgesamt von größerer Bedeutung sind als Honigbienen – abgenommen haben. Landwirtschaftliche Kulturen, die Bestäubung durch Insekten benötigen, haben sich im selben Zeitraum verdreifacht. Heute hängt die Produktion von Lebensmitteln also stärker von einer adäquaten Bestäubung ab als je zuvor. Obwohl derzeit zwar noch nicht von einer Bestäubungskrise gesprochen werden kann, gibt es Anzeichen, dass die landwirtschaftliche Produktion zumindest lokal bereits durch einen Mangel an Bestäubern limitiert wird.
Die Ursachen für den Rückgang der Bienen sind vielfältig und beeinflussen sich wechselseitig:
• |
Lebensraumverluste: Als Bestäuber, die vom Nektar der Blumen leben, benötigen Bienen neben ungestörten Neststandorten – viele Wildbienen bauen ihre Niströhren beispielsweise im Boden – vor allem blütenreiche Lebensräume. Das Blütenangebot jedoch ist nicht nur in Europa durch die Intensivierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert sehr stark zurückgegangen. Hinzu kommt, dass landwirtschaftliche Nutzpflanzen, für deren Bestäubung Bienen unerlässlich sind, meist in großflächigen Monokulturen angebaut werden. Somit ist hier zwar Bienennahrung im Überfluss vorhanden, diese ist jedoch ausgesprochen einseitig. Pollen unterschiedlicher Pflanzenarten variieren deutlich in ihrem Proteingehalt, in der Zusammensetzung von Aminosäuren und Fetten, im Vitamin- und Mineralstoffgehalt. Über die die Langzeiteffekte der Nahrungsqualität auf die Gesundheit von Bienen – insbesondere von Wildbienen – wissen wir derzeit kaum etwas. |
• |
Parasiten und Krankheiten: Bienen leiden von Natur aus an einer Vielzahl an Parasiten und Krankheiten. Diese spielen unzweifelhaft eine wichtige Rolle in der natürlichen Populationsdynamik. Problematisch wird das vor allem dann, wenn durch den Menschen eingeschleppte Krankheitserreger hinzukommen. Denn mit dem Handel von Honigbienen und auch von Hummeln – weltweit werden jedes Jahr mehr als 1 Million Völker der Dunklen Erdhummel gezüchtet und verkauft – werden Krankheitserreger quer über den Globus verschleppt. Es ist seit langem bekannt, dass dies Honigbienen zu schaffen macht – bekanntestes Beispiel ist die Varroa-Milbe. Weniger wissen wir darüber, welchen Einfluss neue Parasiten und Krankheiten auf Wildbienen haben. Während die Varroa-Milbe ausschließlich Honigbienen-Arten befällt, sind andere Parasiten und Krankheitserreger durchaus in der Lage, auch auf wildlebende Arten überzuspringen. In Südamerika haben eingeschleppte Krankheiten zu einem dramatischen Rückgang der dort heimischen Hummelart Bombus dahlbomii geführt. |
• |
Pestizide: Pestizide sind die Rückgangsursache, die am kontroversesten diskutiert wird. Als besonders gefährlich gelten die Neonicotinoide Thiamethoxam, Imidacloprid und Clothianidin sowie die Organophosphate Phosmet und Chlorpyrifos. In intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten sind Bienen tagtäglich einer Vielzahl unterschiedlichster Agrochemikalien in den unterschiedlichsten Konzentrationen ausgesetzt. Dabei können auch Wechselwirkungen zwischen mehreren Pflanzenschutzmitteln auftreten. So existieren Fungizide, die für sich alleine keine allzu große Gefahr für Bienen darstellen, die aber die Wirkung der an sich schon gefährlichen Neonicotinoide um ein Vielfaches verstärken. Solche Wechselwirkungen wurden bisher kaum thematisiert – schon gar nicht im Rahmen von Zulassungsverfahren, wo bestenfalls die Auswirkungen eines bestimmten Pestizids auf Bienen oder andere Tiere untersucht wird. |
• |
Konkurrenz: Honigbienen in großer Dichte können eine Konkurrenz für Wildbienen darstellen. Dies ist ein Faktor, dem insbesondere in Gebieten mit einer großen Bedeutung für den Erhalt seltener Wildbienen künftig stärkere Beachtung geschenkt werden sollte. Forscher konnten nachweisen, dass Hummeln durch eine starke Konzentration von Honigbienenvölkern von ihren bevorzugten Nahrungspflanzen verdrängt werden. Wanderimker sollten die Standorte für ihre Bienenvölker deshalb mit Rücksicht auf Wildbienen sorgfältig auswählen und zudem auch bedenken, dass der Transport der Bienen von einem Standort zum anderen einen Stressfaktor für die Völker darstellt. |
• |
Klimawandel: Der Klimawandel gilt als eine der größten Bedrohungen für die weltweite Artenvielfalt. Wie sich mögliche Veränderungen von Verbreitungsarealen, Verschiebung der Blühzeitpunkte und die Häufung von Wetterextremen künftig auf die Bestäubung auswirken werden, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. |
Somit lässt sich festhalten, dass es nicht DIE Ursache für den Rückgang der Bienen gibt. Vielmehr ist es eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren, die den Bienen zu schaffen macht. Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren verstärken die Auswirkungen. So können Pestizide, auch wenn sie an sich nicht tödlich für Bienen sind, genauso wie Nahrungsmangel oder einseitige Ernährung die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten oder Parasiten schwächen.
Auch wenn noch ein großer Wissensbedarf zu den vielfältigen Ursachen des Bienensterbens vorhanden ist, besteht dennoch Einigkeit darüber, dass wir alles daran setzen müssen, Bienen in ihrer gesamten Vielfalt zu erhalten. Den vielfältigen Gefährdungsursachen entsprechend sind daher auch unterschiedlichste Schutzstrategien notwendig. Zu den wichtigsten zählen die Förderung eines vielfältigen Nahrungsangebots – etwa in Form von Blühstreifen, wobei an Straßenrändern die erhöhte Mortalität durch den Verkehr nicht vergessen werden darf; die Schaffung passender Neststandorte, zB Trockenstandorte; die Reduktion des Pestizideinsatzes, etwa durch Umstellung auf integrierten Pflanzenschutz und den Verzicht auf den prophylaktischen Einsatz von Agrarchemikalien; die Vermeidung der Verschleppung von Parasiten und Krankheitserregern.
Monitoringprogramme sind künftig unerlässlich, um Veränderungen in den Populationsgrößen frühzeitig zu erfassen und um eine Bestäubungskrise zu vermeiden. Denn wenn sich die Verbreitungsareale bereits verkleinert haben und Arten lokal ausgestorben sind, ist es meistens zu spät für Gegenmaßnahmen.
Zusammengefasst nach:
Goulson, D., Nichols, E., Botías,C. & Rotheray, E. L. (2015): Bee declines driven by combined stress from parasites, pesticides, and lack of flowers. Science 347 (6229)
Weitere Infos:
Mallinger, R. E. & Gratton, C. (2015): Species richness of wild bees, but not the use of managed honeybees, increases fruit set of a pollinator-dependent crop. Journal of Applied Ecology 52 (2): 323-330
Gefährdete Blütenbestäuber. Können Honigbienen wildlebende Bestäuber ersetzen?
Globale Erwärmung zerstört "ökologische Feinabstimmung". Forscher untersuchen Interaktion zwischen Pflanzen und Tieren.
Wildbienen. Wenig beachtet, aber dennoch schützenswert.
Keywords: Wildbienen, Honigbienen, Bienensterben, Rückgangsursachen, Gefährdung, Pestizide, Lebensraumverlust, Klimawandel, Bienen